Der Titel mag den Anschein einer dramatischen, bewegenden,
unvorstellbar mächtigen Gefühlsregung erwecken, doch ganz so imposant ist das,
was ich erzählen möchte, dann doch nicht. Das Wort passt einfach nur gut zu den
vielen kleinen Begebenheiten der letzten Zeit, die sich alle unter diesem
weitreichenden Begriff zusammenfassen lassen.
ZUFRIEDENHEIT
Zufrieden, ja, das bin ich hier sehr wohl! Es ist, einfach
ausgedrückt, alles gut. Mein Leben läuft hier in geregelten Bahnen, es gibt
nichts, worüber ich mich großartig beschweren müsste (außer vielleicht die
Küche, die teilweise in einem ekelerregenden Zustand hinterlassen wird), ich
bin gesund und munter, wachse täglich mehr in das Leben hinein, sammle
einzigartige Erfahrungen, treffe die interessantesten Leute; ich bin also zufrieden.
http://www.youtube.com/watch?v=kMNPv_HXffQ
Das Lied läuft hier gerade rauf und runter. Ich mag es und passt ganz gut zur Zufriedenheit...
http://www.youtube.com/watch?v=kMNPv_HXffQ
Das Lied läuft hier gerade rauf und runter. Ich mag es und passt ganz gut zur Zufriedenheit...
NACHDENKLICHKEIT
Diese Woche war Ricardo, der Koordinator der IERP, bei uns
zu Besuch in Montevideo. Das Einzelgespräch, das Ricardo und ich dann führten,
hinterließ mich mit vielen Gedanken und Überlegungen. Er hinterfragte vieles,
worüber ich mir bis zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt noch nicht so viele
Gedanken gemacht habe. Mir ermöglichte das teilweise einen neuen Einblick auf
das Jahr, auf meine persönlichen Herausforderungen und Erwartungen, weshalb ich
nun sehr dankbar für dieses schöne Gespräch bin.
MÜDIGKEIT
Ganz ehrlich: Die letzte Woche war mit eine der
anstrengendsten. Wegen der fiesta de
primavera, zu Deutsch „Frühlingsfest“, die am Freitag stattfand, musste
während des regulären Obra-betriebs einiges vorbereitet werden. Die Kinder
mussten ihr Programm intensiv proben, wir profesores
mussten planen, basteln, nähen, koordinieren. Deshalb übernahm ich die
alleinige Aufsicht über eine Kleingruppe von Kindern, die Geschenke für die
Familien basteln sollten. Es lief mit den meisten Gruppen auch alles bestens,
bis sich in der Gruppe der ältesten Kinder ein heftiger Streit zwischen zwei
Mädchen entwickelte. Das war vielleicht ein Spaß, denn es ist gar nicht mal so
leicht, mit dem bisschen Spanisch schnell zu interagieren und zu schlichten!
Abgesehen von den Sprachproblemen ist es auch einfach enorm schwer, den Kindern
verständlich zu machen, dass mich nicht interessiert, wer angefangen hat,
sondern sich mein Interesse darauf richtet, wer zuerst aufhört und wer sich
jetzt im Zeitpunkt des Streites wie verhält. Gerade als ich dachte, ich hätte
mich deutlich ausgedrückt und die Mädchen hätten verstanden, was ich von ihnen
verlange, kam wieder die Äußerung: „Aber Julia, sie hat angefangen! Hast du mich nicht mehr lieb oder warum glaubst du mir nicht?“ :-/ Ganz schön deprimierend,
wenn man einsehen muss, dass man wieder von vorne anfangen darf.
Generell empfand ich die Woche als sehr konfliktreich.
Vielleicht auch nur, weil ich mittlerweile mehr von den Schimpfwörtern
verstehe, die sich die Kinder an den Kopf werfen und daran merke, dass das kein
freundschaftliches Gespräch mehr ist, vielleicht aber auch, weil die Kinder
mittlerweile mehr Vertrauen zu mir gefasst haben und von selbst meine Hilfe
aufsuchen. Nun gut, auf jeden Fall habe ich in diesen Streitgesprächen
deutliche Fortschritte mit meinem Spanisch gemacht, weil auf einmal höchste
Konzentration und schnelle Reaktion gefragt waren.
VERÄRGERUNG
Ein Problem, mit dem sich wohl jede große WG konfrontiert
sieht, ist das mysteriöse Verschwinden von Lebensmitteln. Als meine erste
Milchpackung plötzlich nicht mehr aufzufinden war, habe ich mir noch keine
Gedanken gemacht und es mit Humor genommen. Schließlich hatte ich ja noch eine
zweite. Als diese dann am nächsten Tag auch weg war, kam ich mit Humor
allerdings nicht mehr weit. Es ist zwar einerseits nur Milch, aber
andererseits: Es ist meine Milch! Versteht ihr? Das ist irgendwie blöd, wenn
die weg ist…
Ab jetzt ziert mein Name jeden noch so kleinen gekauften
Artikel, mal sehen, ob das was bringt.
GLÜCK/ STOLZ/ ERFÜLLUNG/ RÜHRUNG
Ich ließ bereits verlauten, dass wir am Freitag den Frühling
feierten. Es war ein wirklich schöner Tag und ein gelungenes Fest! Das Wetter
hat mitgespielt, die Bühne war schön dekoriert, das Programm stand und die
Kinder und wir hatten definitiv unseren Spaß. Für mich war es unglaublich schön
zu sehen, wie sich die Kinder auf ihre Auftritte vorbereitet haben: Hinter der
Bühne haben sie sich gegenseitig Mut zugerufen und betont, dass sie vor allem
Spaß haben möchten vor dem Vorhang. Als es dann wirklich losging, war ich
fasziniert, wie konzentriert und ernst die Kinder auf einmal waren, ihre
kindlichen Späße, die einen zum Lachen bringen müssen, aber trotzdem nicht
lassen konnten.
FASZINATION
Dass die Menschen hier unglaublich nett und herzlich sind,
habe ich bereits bemerkt. Das, was ich letzte und diese Woche aber an
Herzlichkeit erfahren durfte, hat mich aber besonders fasziniert.
Am letzten Samstag war ich auf dem Markt, um mir endlich meinen
eigenen Mate-becher zu kaufen. Für den Fall, dass ich bisher noch kein Wort
darüber verloren habe: Mate ist das Getränk überhaupt hier in Uruguay. Für
diese Tradition werden der Becher, der traditionellerweise aus einem Kürbis
besteht, die Bombilla, eine Art
Metallstrohhalm, die yerba,
kleingeraspelte getrocknete Blätter, mit denen der Mate komplett gefüllt wird
und heißes Wasser benötigt. Der Mate wird dann also mit ein wenig Wasser
gefüllt und von Person zu Person gereicht – ein sehr gemeinschaftliches
Erlebnis.
mein erster eigener Mate - ist er nicht schön? |
Zurück zum Samstag. Ich war demnach auf dem Markt und habe
mich an einem kleinen Stand in einen wunderschönen Becher verliebt, den ich
seitdem auch mein Eigen nenne. Mein
Blick fiel auch auf eine Thermos-kanne, wobei ich mir diese nur unter Vorbehalt
angeschaut habe, da ich mir nicht sicher war, ob ich genügend Geld dabei habe.
Der Verkäufer und sein Sohn, mit denen ich mich eine Zeit lang unterhalten
habe, meinten daraufhin einfach nur, ich solle den Thermos so mitnehmen,
irgendwann wiederkommen und dann zahlen. Ich war völlig verdutzt und
beeindruckt! Schließlich waren es 300 Peso, die mir da anvertraut wurden! Einen
Rabatt auf den Mate und die Bombilla habe ich auch noch bekommen. Diese Woche
bin ich dann eben wieder hin, um zu bezahlen, was noch zu bezahlen war. Beide
Verkäufer freuten sich sehr über das Wiedersehen, wobei fraglich ist, welches
Wiedersehen ihnen mehr Freude bereitet hat: Dasjenige mit mir oder mit dem
Geld. Ich blieb für lange Zeit am Stand, habe den Mate das erste Mal
eingeweiht, da er erst einmal eine Woche mit alter yerba ziehen muss, wurde auf
Kaffee und Empanadas eingeladen und hatte wieder ein sehr angenehmes Gespräch.
Ich bin mir sicher, dass ich mich auch noch in Jahren an diese Geschichte
erinnern werde und meine Faszination über die Herzlichkeit niemals verlieren
werde.