Zurzeit sind die Wochenenden bei mir so schön ausgefüllt,
dass der Blog ein wenig in Vergessenheit geriet. Im Grunde genommen weiß ich
auch gar nicht so recht, wo ich anfangen soll, es ist schließlich schon wieder
Einiges passiert. Um es mir und euch leichter zu machen, greife ich demnach auf
die altbekannte Darstellungsweise der chronologischen Schilderung zurück, nicht
ganz so spannend, aber effektiv:
An einem Wochenende Anfang Oktober, ich kann schon gar nicht
mehr sagen, welches Datum es war, war ich mit den Leuten vom Club de Niños in
Colonia Waldense, einem kleinen Dörfchen, das auch nur wenigen Einwohnern
Herberge bietet und dies auch nur über die Sommermonate, da es im Winter außer
einem eisigkalten aber schönen Strand und einem winzigkleinen Supermarkt nichts
bietet. Im Sommer hingegen bietet es einen angenehm warmen und schönen Strand,
weshalb der Besuch durchaus lohnenswert war. Zumal der Zusammenhalt in der
Mannschaft enorm ist und sich alle eher als Freunde und nicht als
Arbeitskollegen verstehen. Dementsprechend witzig ging es zu, insbesondere die
Abende, die sich bis früh in die Morgenstunden zogen. Besonders erwähnenswert
ist auch, dass wir innerhalb von 2 Tagen 3 Mal Asado gegessen haben! Aber so
richtig Asado mit Massen an Fleisch, die wir uns als Deutsche einfach nicht
vorstellen können.
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Das darauffolgende Wochenende war ähnlich schön: Julian und
ich erhielten Besuch einer deutschen Freiwilligen, die in Mercedes ihren Dienst
leistet. Es war ein sehr schönes Wochenende, das natürlich vom typischen
Touriprogramm geprägt war: Die berühmten Sehenswürdigkeiten anschauen, durch
die Innenstadt schlendern, gut essen, shoppen, das Nachtleben genießen, Mate
trinken, etc. Dabei kamen wir in den Genuss der lateinamerikanischen Sonne!
Unglaublich aber wahr: Ich sitze jetzt zwar schon wieder im Winterpulli vor dem
PC und traue mich nicht ohne Schal und Jacke aus dem Haus, aber an besagtem
Wochenende wollte uns das Klima wohl reich beschenken und ließ die Sonne heiß
herunterscheinen. Was mich immer noch fasziniert ist die Stärke der Sonne! Man
merkt absolut, dass wir hier näher an der Sonne sind, denn schon eine Stunde in
der Sonne hinterlässt farbenfrohe Grüße auf der Haut…
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Hier habt ihr mal einen kleinen Einblick in unsere Küche. Sie ist wirklich nicht schön, aber sie bietet viel Platz und mit den richtigen Leuten ist es selbst dort gemütlich :-) |
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Von links nach rechts: Jennifer, die amerikanische Freiwillige, die mit mir im Projekt ist, Manu, uruguayanischer Student und Hannah, der deutsche Besuch |
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Hannah und mein deutscher Mitbewohner Julian |
Samstags besuchte ich zudem ein weiteres Projekt im Barrio
Borro, dem Viertel, in dem ich arbeite. Mir war rein theoretisch zwar immer
bekannt, dass dies das ärmste Viertel Montevideos ist, doch fehlte mir immer
ein tieferer Einblick in die Strukturen des Barrios – schließlich kannte ich
nur den Weg des Busses, der die guten Straßen nutzt und mich direkt vor die Tür
der Obra bringt. Mehr als dieses Stückchen des Barrios habe ich auch nie
gesehen, da es sich auch einfach nicht anbietet, sich als Fremde alleine auf
Erkundungstour zu begeben. An jenem Tag bin ich auf meine Bitte hin allerdings
mit einer Sozialarbeiterin durch das Barrio gelaufen und habe das erste Mal
Flecken gesehen, die mich ehrlich gesagt sehr erschrocken haben.
Heruntergekommene Hütten, Wege, die kaum betretbar sind, da sie von Schlamm und
Fäkalien verdreckt sind, Müllberge, die das gesamte Barrio unter sich zu
begraben scheinen, Hunde, die nicht aufhören können, sich die Flöhe aus dem
Fell zu kratzen und dann die Menschen, die ganz unterschiedlich auf die „Fremde“
reagieren: Skeptisch, argwöhnisch, stumm. Ich habe versucht, mit zwei Frauen zu
reden, doch die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, ließ zu wünschen übrig.
Aber was will ich auch. Ich bin nun einmal die Fremde, die aus dem reichen
Deutschland kommt, der es unermesslich gut geht und die am Ende des Tages in
ein stabiles Haus zurückkehrt.
Ich möchte an dieser Stelle aber betonen, dass ich mir
keinesfalls ein Urteil über die Menschen zumute und sie erst recht nicht als „böse“
Menschen darstellen möchte. Es war ein flüchtiger kurzer Einblick und wenn ich
es mir so überlege: Ich glaube, ich würde genauso argwöhnisch schauen, wenn in
meinem Viertel auf einmal jemand rumläuft, der so ganz anders ist als ich und
alles akribisch inspiziert.
Was mich dafür sehr erfreut hat, ist das Verhältnis der Menschen
zu der Sozialarbeiterin. Sie wurde immer gegrüßt und mit größtem Respekt
behandelt. Denn schließlich konnte sie sich in langer Arbeit das Vertrauen
verdienen und zeigen, dass ihr die Menschen wirklich am Herzen liegen und sie
helfen will. Die Kinder sind freudestrahlend auf sie zugerannt, die Hausfrauen
wollten das Bisschen an Essen, was sie haben, mit ihr teilen, die Männer
nickten anerkennend.
Traurig ist an dieser ganzen Geschichte, dass so gut wie
niemals jemand dieses Bild der Menschen des Barrios zu Gesicht bekommt.
Vielmehr dominieren die stereotypen Bilder der bösen, kriminellen Schatten die
Köpfe derjenigen, die nicht im Barrio wohnen und determinieren daher auch das
gesamte Verhältnis der Gesellschaft zum Barrio. Die Montevideaner wissen wenig
über das Barrio, haben mit keinem einzigen Bewohner jemals geredet, haben das
Barrio nie betreten und haben Angst, es überhaupt zu besichtigen aber muten
sich ein Urteil über das Leben, die Menschen, das Barrio zu. Mir wurde zudem
erzählt, dass die Perspektiven, eine Arbeit außerhalb des Barrios zu finden, erheblich
schwinden, sobald man anführt, man käme aus dem Barrio, was meistens dazu
führt, dass die Menschen ihre Identität zu verbergen versuchen.
Es ist so unglaublich traurig, dass trotz der räumlichen
Nähe so viel Unwissen und Distanz herrscht und den Menschen, in meinen Augen,
einfach nur Unrecht getan wird, indem so über sie gedacht wird. Die Kinder und
Jugendlichen, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, sind nämlich so wahnsinnig
toll und voller Lebensfreude und einfach nur ganz normale Kinder, die spielen,
leben, lachen und lernen wollen.
Ich versuche, in nächster Zeit ein wenig über die
Perspektiven der Kinder und Jugendlichen zu erfahren. Schließlich ist es ja
auch ein Ziel des Projektes, ihnen Zukunftsperspektiven zu vermitteln und nicht
nur Freizeitbeschäftigung zu sein. Denn im Moment muss ich gestehen, dass ich
noch keine gute Antwort auf diese Frage gefunden habe.
PS: Ach, ich weiß ja, dass ich vor geraumer Zeit versprochen
habe, Bilder von Montevideo hochzuladen und dass ich dies noch lauthals als
number-one auf meiner to-do-liste angekündigt habe. Die Bilder habe ich schon
längst gemacht, nur ist leider die SD-Karte seit Wochen im Umlauf und hat ihren
Weg zu mir noch nicht zurück gefunden. Sobald dies geschehen ist, kommen aber
mal wirklich FotosJ