Dienstag, 29. Oktober 2013

14. Einfach nur so...

Aus purer Langeweile einerseits und Schaffensfreude andererseits könnt ihr hier einfach nur ein paar Fetzen lesen. 

Ein Versprechen, das ich geben und halten werde:
Irgendwann kommen Bilder von Montevideo.

Ein Versprechen, das ich gegeben habe und nicht einhalten kann:
Bald Fotos von Montevideo hochzustellen. Habe blöderweise meine SD-Karte verloren... mit den Bildern...

Großes Pech:
Jemand aus meiner WG hat sich gestern Nacht den Finger abgeschlagen während der Arbeit. Die Maschine hat leider nicht stoppen wollen, mit 10 Tonnen Gewicht einzuschlagen, als der Finger auf einmal unter der Stanze war.

Großes Glück:
Eigentlich alles hier.

Witzigste Situation heute:
Wir waren heute mit den Kindern in einem Park. Um kostenlos mit dem Bus fahren zu können, müssen die Kinder einfach nur ihre weiße Tunika und ihre blaue Halsschleife tragen, die an einem Gummiband befestigt ist. Heute kam dann eben ein Junge völlig verzweifelt zu uns und meinte, er fände sein Gummiband nicht mehr. Witzigerweise hat er aber die ganze Zeit mit dem Band um den Hals gespielt, was ihm so gar nicht aufgefallen ist. Als er sich dessen bewusst geworden ist, war der perplexe Gesichtsausdruck einfach nur göttlich!


Schönstes Gefühl heute:
Draußen sitzen, mit Freunden lachen und sich die Sonne auf die Haut strahlen lassen.

Größte Vorfreude:
Die Urlaubspläne nehmen immer mehr Gestalt an. Es geht nach Brasilien, genauere Informationen folgen...

Neues Wissen:
In Uruguay werden am 29. jeden Monats immer Gnocchis gegessen. So auch heute.

Unnötige Information:
Mein Mitbewohner hat heute die erste große, fliegende Kakerlake gesehen - ekelhaft!

Samstag, 26. Oktober 2013

13. Ich bin verstört...

Leute, ich hatte gerade ein ziemlich verstörendes Erlebnis. Ich war im Theater Solis, dem größten Theater Montevideos, um eine Tanzaufführung anzuschauen, die im Rahmen mehrerer Tanzdarstellungen zwischen August und November stattfindet. Das Projekt heißt Solo al Mediodia und bedeutet einfach nur, dass ein Tanzstudent ein ca. 40-minütiges Programm bietet.
Bin also voller Erwartungen hin und war schon leicht irritiert, als es nichts gab, wo hätte Musik entstehen können. Weder Anlage noch Band oder dergleichen. Nun ja, dann ging es eben los. Ein junges Mädchen im Wintermantel, der über und über mit Tüten behangen war, sagt einfach nur: „Ich renne jetzt los!“ Und sie rennt. Immer im Kreis. Im gleichen Tempo. Ab und zu sagt sie etwas, für mich leider unverständlich, da ihr der Atem wohl gefehlt hat. Das Spannendste am Rennen war noch, dass es sie einmal fast hingelegt hätte…
Irgendwann sagt sie, sie wolle sich jetzt ausruhen. Das tut sie dann auch. Sie legt sich auf den Boden und präsentiert einfach nur einige Positionen, die strandtauglich anmuten. Dann zeiht sie die Tüten vom Mantel runter und hängt sie sich an die Hände. Eine Steigerung der Expressionsgewalt erfährt die Darbietung, als das Mädchen auf einmal anfängt, sich auszuziehen. Ohne Hände. Deswegen ein großer Kampf und eine lange Prozedur. Schlussendlich steht sie in Unterwäsche da und stülpt sich die Tüten über Gliedmaßen und Kopf, setzt sich hin und ist ruhig. Fertig.
Ich bin ehrlich gesagt etwas verstört: Was um Himmels Willen sollte das? Was sollte das ausdrücken? Habe ich irgendetwas verpasst? Klar, es war nicht unbedingt schlecht, weil die Darbietung auf jeden Fall zum Nachdenken und Grübeln anregen konnte und es sicherlich auch unermesslich viele Interpretationsmöglichkeiten gibt, die eben offen gelassen werden sollten. Möglicherweise sollte die Darbietung ein Spiegel unserer Welt sein. Ein Rennen, ein hastiges Ausruhen, kein Sich-Zeit-Nehmen für andere Dinge. Ein sich-Entblößen, seine Identität ablegen, sich verwundbar zeigen, um sich dann mit etwas einzukleiden, was keine Unterschiede zulässt: Plastik. Oder referieren die Tüten auf die Verschmutzung der Welt? Und damit unsere eigenen Fehler? Unser Verschmutzen der Welt?

Ich habe keine Ahnung und bin einfach nur verstört… 


Donnerstag, 24. Oktober 2013

12. Hola

Zurzeit sind die Wochenenden bei mir so schön ausgefüllt, dass der Blog ein wenig in Vergessenheit geriet. Im Grunde genommen weiß ich auch gar nicht so recht, wo ich anfangen soll, es ist schließlich schon wieder Einiges passiert. Um es mir und euch leichter zu machen, greife ich demnach auf die altbekannte Darstellungsweise der chronologischen Schilderung zurück, nicht ganz so spannend, aber effektiv:

An einem Wochenende Anfang Oktober, ich kann schon gar nicht mehr sagen, welches Datum es war, war ich mit den Leuten vom Club de Niños in Colonia Waldense, einem kleinen Dörfchen, das auch nur wenigen Einwohnern Herberge bietet und dies auch nur über die Sommermonate, da es im Winter außer einem eisigkalten aber schönen Strand und einem winzigkleinen Supermarkt nichts bietet. Im Sommer hingegen bietet es einen angenehm warmen und schönen Strand, weshalb der Besuch durchaus lohnenswert war. Zumal der Zusammenhalt in der Mannschaft enorm ist und sich alle eher als Freunde und nicht als Arbeitskollegen verstehen. Dementsprechend witzig ging es zu, insbesondere die Abende, die sich bis früh in die Morgenstunden zogen. Besonders erwähnenswert ist auch, dass wir innerhalb von 2 Tagen 3 Mal Asado gegessen haben! Aber so richtig Asado mit Massen an Fleisch, die wir uns als Deutsche einfach nicht vorstellen können.


Das darauffolgende Wochenende war ähnlich schön: Julian und ich erhielten Besuch einer deutschen Freiwilligen, die in Mercedes ihren Dienst leistet. Es war ein sehr schönes Wochenende, das natürlich vom typischen Touriprogramm geprägt war: Die berühmten Sehenswürdigkeiten anschauen, durch die Innenstadt schlendern, gut essen, shoppen, das Nachtleben genießen, Mate trinken, etc. Dabei kamen wir in den Genuss der lateinamerikanischen Sonne! Unglaublich aber wahr: Ich sitze jetzt zwar schon wieder im Winterpulli vor dem PC und traue mich nicht ohne Schal und Jacke aus dem Haus, aber an besagtem Wochenende wollte uns das Klima wohl reich beschenken und ließ die Sonne heiß herunterscheinen. Was mich immer noch fasziniert ist die Stärke der Sonne! Man merkt absolut, dass wir hier näher an der Sonne sind, denn schon eine Stunde in der Sonne hinterlässt farbenfrohe Grüße auf der Haut…

Hier habt ihr mal einen kleinen Einblick in unsere Küche. Sie ist wirklich nicht schön, aber sie bietet viel Platz und mit den richtigen Leuten ist es selbst dort gemütlich :-)

Von links nach rechts: Jennifer, die amerikanische Freiwillige, die mit mir im Projekt ist, Manu, uruguayanischer Student und Hannah, der deutsche Besuch

Hannah und mein deutscher Mitbewohner Julian

Samstags besuchte ich zudem ein weiteres Projekt im Barrio Borro, dem Viertel, in dem ich arbeite. Mir war rein theoretisch zwar immer bekannt, dass dies das ärmste Viertel Montevideos ist, doch fehlte mir immer ein tieferer Einblick in die Strukturen des Barrios – schließlich kannte ich nur den Weg des Busses, der die guten Straßen nutzt und mich direkt vor die Tür der Obra bringt. Mehr als dieses Stückchen des Barrios habe ich auch nie gesehen, da es sich auch einfach nicht anbietet, sich als Fremde alleine auf Erkundungstour zu begeben. An jenem Tag bin ich auf meine Bitte hin allerdings mit einer Sozialarbeiterin durch das Barrio gelaufen und habe das erste Mal Flecken gesehen, die mich ehrlich gesagt sehr erschrocken haben. Heruntergekommene Hütten, Wege, die kaum betretbar sind, da sie von Schlamm und Fäkalien verdreckt sind, Müllberge, die das gesamte Barrio unter sich zu begraben scheinen, Hunde, die nicht aufhören können, sich die Flöhe aus dem Fell zu kratzen und dann die Menschen, die ganz unterschiedlich auf die „Fremde“ reagieren: Skeptisch, argwöhnisch, stumm. Ich habe versucht, mit zwei Frauen zu reden, doch die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, ließ zu wünschen übrig. Aber was will ich auch. Ich bin nun einmal die Fremde, die aus dem reichen Deutschland kommt, der es unermesslich gut geht und die am Ende des Tages in ein stabiles Haus zurückkehrt.

Ich möchte an dieser Stelle aber betonen, dass ich mir keinesfalls ein Urteil über die Menschen zumute und sie erst recht nicht als „böse“ Menschen darstellen möchte. Es war ein flüchtiger kurzer Einblick und wenn ich es mir so überlege: Ich glaube, ich würde genauso argwöhnisch schauen, wenn in meinem Viertel auf einmal jemand rumläuft, der so ganz anders ist als ich und alles akribisch inspiziert.

Was mich dafür sehr erfreut hat, ist das Verhältnis der Menschen zu der Sozialarbeiterin. Sie wurde immer gegrüßt und mit größtem Respekt behandelt. Denn schließlich konnte sie sich in langer Arbeit das Vertrauen verdienen und zeigen, dass ihr die Menschen wirklich am Herzen liegen und sie helfen will. Die Kinder sind freudestrahlend auf sie zugerannt, die Hausfrauen wollten das Bisschen an Essen, was sie haben, mit ihr teilen, die Männer nickten anerkennend.

Traurig ist an dieser ganzen Geschichte, dass so gut wie niemals jemand dieses Bild der Menschen des Barrios zu Gesicht bekommt. Vielmehr dominieren die stereotypen Bilder der bösen, kriminellen Schatten die Köpfe derjenigen, die nicht im Barrio wohnen und determinieren daher auch das gesamte Verhältnis der Gesellschaft zum Barrio. Die Montevideaner wissen wenig über das Barrio, haben mit keinem einzigen Bewohner jemals geredet, haben das Barrio nie betreten und haben Angst, es überhaupt zu besichtigen aber muten sich ein Urteil über das Leben, die Menschen, das Barrio zu. Mir wurde zudem erzählt, dass die Perspektiven, eine Arbeit außerhalb des Barrios zu finden, erheblich schwinden, sobald man anführt, man käme aus dem Barrio, was meistens dazu führt, dass die Menschen ihre Identität zu verbergen versuchen.

Es ist so unglaublich traurig, dass trotz der räumlichen Nähe so viel Unwissen und Distanz herrscht und den Menschen, in meinen Augen, einfach nur Unrecht getan wird, indem so über sie gedacht wird. Die Kinder und Jugendlichen, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, sind nämlich so wahnsinnig toll und voller Lebensfreude und einfach nur ganz normale Kinder, die spielen, leben, lachen und lernen wollen.


Ich versuche, in nächster Zeit ein wenig über die Perspektiven der Kinder und Jugendlichen zu erfahren. Schließlich ist es ja auch ein Ziel des Projektes, ihnen Zukunftsperspektiven zu vermitteln und nicht nur Freizeitbeschäftigung zu sein. Denn im Moment muss ich gestehen, dass ich noch keine gute Antwort auf diese Frage gefunden habe.

PS: Ach, ich weiß ja, dass ich vor geraumer Zeit versprochen habe, Bilder von Montevideo hochzuladen und dass ich dies noch lauthals als number-one auf meiner to-do-liste angekündigt habe. Die Bilder habe ich schon längst gemacht, nur ist leider die SD-Karte seit Wochen im Umlauf und hat ihren Weg zu mir noch nicht zurück gefunden. Sobald dies geschehen ist, kommen aber mal wirklich FotosJ




Sonntag, 6. Oktober 2013

11. Besuch von ganz kleinen Gästen

Seit dieser Woche haben wir verstärkten Besuch von kleinen, ganz besonderen Gästen. Sie heißen Piojos (diejenigen, die Spanisch können, sind nun klar im Vorteil; alle anderen müssen wohl oder übel ein Wörterbuch konsultieren) und einige Freunde von ihnen sind immer in der Obra anwesend. In der Anzahl, in der sie aber diese Woche in der Obra vertreten waren, haben sie sich noch nie in der Obra eingefunden. Besonders gut verstehen sie sich mit den Mädchen der Obra, weshalb sie zu ihnen auch den größten Kontakt pflegen. Mich meiden die Gäste bisher noch und wenn ihr ehrlich bin, darf das auch ruhig so bleiben, schließlich muss ich nicht mit allen Gästen Bekanntschaft schließen. 
Normalerweise spielen die Kleinen meist in geringer Anzahl auf den Kindern herum, mittlerweile haben sie aber schon fast einen Abenteuerspielplatz mithilfe der Mädchen errichtet und es scheint, als haben sie zudem ein neues Spiel entwickelt: Welcher Gast kann am meisten andere Gäste huckepack nehmen? Meine Mitarbeiterin konnte bereits einen stolzen Gewinner küren: Ein besonders kräftiges Kerlchen war tatsächlich dazu in der Lage, drei seiner Spielgefährten zu tragen! Eine Leistung, die in der Obra schnellen Bekanntheitsgrad erlangte und von allen den größten Respekt verdient.
Ich persönlich hoffe, dass der Besuch sich nicht zu lange bei uns aufhalten möchte und uns bald verlässt. Aber mal sehen, wenn er sich wohlfühlt und die Mädchen keine Schritte einleiten, um den Besuch heimzuschicken, wird uns der Besuch wohl noch ein Weilchen erhalten bleiben.