In der letzten Zeit ist hier nichts Weltbewegendes passiert,
aber dennoch ist die Lust, euch etwas über mein derzeitiges Leben mitzuteilen,
so unbändig groß, dass ich es nicht lassen kann, selbst das Unsinnigste niederzuschreiben.
Deswegen könnt ihr euch in den folgenden Zeilen mit Geplänkel die Zeit
vertreiben, in dem ich darüber philosophiere, was meine Eindrücke, Erlebnisse,
Gedanken etc. sind.
Eines der wichtigsten Themen ist das Essen, nicht nur für
mich, sondern generell für die uruguayanische Bevölkerung. Sie essen spät, sie
essen viel, in meinen Augen essen sie ungesund und sie essen nahezu
ausschließlich Fleisch! Wenn nicht Fleisch (meistens Asado, eine gigantische Grillmahlzeit
die typisch für Uruguay und Argentinien ist, bei der eine halbe Kuh auf dem
Grill zu liegen scheint) gegessen wird, dann isst man hier Dulce de leche, eine
Art gezuckerte Kondensmilch, die es an Kalorien nicht mangeln lässt. Man
verspeist sie zu allem! Kekse, Kuchen, Torten, Joghurt, Brot, Teigtaschen,
Getränke – nichts davon kommt ohne die süße Sünde aus.
In der WG kam ich auch schon in den Genuss eines Asados! Das
Tolle daran für mich ist aber gar nicht mal so sehr das Essen, sondern vielmehr
das gemütliche Zusammensitzen bei reich gedecktem Tisch.
Ein beliebtes Thema ist hier ebenso das Wetter. Hier nimmt
es keinesfalls die Rolle eines Hilfsthemas ein, mit dem man unbequeme
Gesprächslücken zu füllen versucht. Das Gespräch über das Wetter ist hier
zentral, unter anderem deshalb, weil es auch immer wieder neuen Gesprächsstoff
bietet. Während an dem einen Tag sommerliche 30°C herunterscheinen, bringt der
nächste Tag kalte 10°C mit sich und verschönert dies mit einer ordentlichen
Portion Gewitter. Ich check das noch nicht so ganz mit dem Wetter, weshalb ich
mich entweder über zu festes oder zu offenes Schuhwerk und zu kalte oder zu
warme Kleidung ärgere. Nun ja, der Sommer soll einfach nur heiß werden, da
braucht man sich dann wohl auch keine Gedanken mehr um Kälte zu machen.
Ein heiß diskutiertes Thema in meiner Umgebung ist natürlich
auch die Sprache española! Missverständnisse und Sprachprobleme sind hier an
der Tagesordnung und trotzdem darf ich mit Stolz verkünden, dass sich mein
Spanisch in der kurzen Zeit schon deutlich verbessert hat! Bemerkbar macht sich
das daran, dass ich mittlerweile ein Gespräch mit den Jugendlichen führen
konnte, deren Spanisch nochmal schwieriger ist als das der Erwachsenen, da es
mit dem „Ghettodeutsch“ unserer Jugendlichen zu vergleichen ist, bei dem auch
erst einmal etwas Kreativität zu Rate gezogen werden muss, um inmitten der
undefinierbaren Laute und anderen Worte den Sinn des Satzes herauszufinden.
Mitarbeitergespräche verstehe ich mittlerweile auch viel besser und kann
teilweise schon einen eigenen kleinen Gesprächsbeitrag liefern. Es geht also aufwärts!
Dennoch sind die Situationen, in denen ein fragender Blick dem anderen begegnet,
immer noch Teil des Alltags. So wurde ich beispielsweise danach gefragt, wo
sich die Haltestelle X befindet und in der Annahme, die fragende Person wolle
einfach nur die Existenz einer Haltestelle an dem Ort, wo wir uns befanden,
bestätigt wissen, antwortete ich voller Inbrunst „Si“, was leider so gar nicht
auf die Frage gepasst hat. Das Beste an solchen Momenten sind einfach immer die
Blicke, die man fotografieren müsste! Eine andere Situation: Ich stehe im
Geschäft und suche Wattepads, kann diese aber nirgends finden, weshalb mir
nichts anderes übrig bleibt, als eine der netten Verkäuferinnen zu fragen, wo
sich denn die runden Dinger aus Watte befänden, mit denen man verschiedene
Sachen machen könne. Das Grinsen auf dem Gesicht der Verkäuferin wächst,
während eine ausführliche pantomimische Darstellung des gesuchten Gegenstandes
endlich Erleuchtung für beide Seiten bringt: Discos de algodón wäre übrigens
das Zauberwort gewesen, was mir den Moment voller Peinlichkeit erspart hätte.
Ach und wenn wir schon bei Anekdoten aus dem Alltag sind:
Hättet ihr gedacht, dass man in einem Geldbeutel voller uruguayanischer und
argentinischer Münzen ausgerechnet nur nach den argentinischen Münzen greift, um
etwas zu bezahlen und es erst auf dezenten Hinweis der Verkäuferin bemerkt?
Und wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr den Geldbeutel
nicht schließen könnt, weil zu viele Scheine darin enthalten sind? Ich habe
mich auf jeden Fall recht kriminell gefühlt, weil ich noch nie dreißig (!)100er-Scheine
auf einmal aus dem Automaten gezogen habe und mit denen durch die Stadt
spazieren gegangen bin. Für fleißige Rechner: 1 Euro entspricht in ungefähr 30
Peso ;-).
Zum Schluss noch etwas anderes. Ich wohne hier ja in der
lutheranischen Kirche, die ebenfalls Treffen für Alkoholiker anbietet. Gerade
im Moment singen sie lauthals unter uns und grundsätzlich finde ich dieses
Angebot für Menschen, die auf solche Hilfe angewiesen sind, wirklich gut! Meine
Zustimmung für dieses Projekt endet allerdings dann, wenn sich eine der
besagten Personen Zutritt zu unserer Wohnung verschafft, frei in den Zimmern
herumläuft und einen Abschiedsgruß aus Urin an der Tür hinterlässt. Ich hoffe
einfach, sowas kommt nicht mehr vor und die lieben Mitmenschen beschränken sich
aufs Musizieren.
Eine weltbewegende Sache ist doch passiert: Am Montag hatte
ich Geburtstag, den ich sehr hübsch mit Pizza, Torte und Sekt in der WG
gefeiert habe.
Mir geht es also bestens hier! Ich genieße jeden Tag mehr,
erfreue mich an der Arbeit, die mir wegen der glühenden schwarzen Kinderaugen
jedes Mal von Neuem bestätigt, dass ich die richtige Entscheidung getroffen
habe und fühle mich auch in meiner Wohnung immer wohler und vertrauter, was
eindeutig an all‘ den tollen Menschen hier liegt!
Ich schicke euch allen im entfernten Deutschland herzliche
Grüße und gratuliere zu so viel Geduld, sich den Text bis zum Schluss gegönnt
zu haben!
Eure Uruguay-Julia.
PS: Auf meiner imaginären to-do-Liste steht im Übrigen das
Fotografieren meines Projekts, meiner Wohnung und meines Viertels an oberster
Stelle! Es dürften also bald Fotos folgen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen