gleichen Worten: „Es sind nun schon 6
Monate vergangen, ich bin an der Hälfte meines Auslandsaufenthaltes angelangt.
Unglaublich, wie schnell die Zeit verflogen ist, schließlich kommt es mir vor,
als wäre ich erst vor Kurzem aus dem Flugzeug gestiegen.“ Die Information
dürfte also altbekannt sein und dennoch will auch ich mich dieser Formulierung
anschließen und den Eindruck
des viel zu schnellen Verrinnens der
Zeit mit Ihnen,
lieber
Spenderkreis, teilen.
Das Schöne ist jedoch, dass trotz
dieses Gefühls bei rückblickender Betrachtung des hier Erlebten eine ganze
Menge an Eindrücken und Geschehnissen zusammenkommt. Um nur die wichtigsten
Ereignisse zu benennen, führe ich den Abschlussausflug mit den Jugendlichen meines
Projektes nach Colonia del Sacramento (UNESCO Weltkulturerbe), das Zeltlager
mit den Kindern des Club de Niños, das ganz anders erlebte Weihnachten und
Silvester, die Jahresabschlussaufführung meiner Tanzschule im Dezember, meinen
dreiwöchigen Urlaub in Brasilien, meinen Kurzurlaub in Punta del Diablo (einem
wunderschönen Fischerdorf an der Atlantikküste), das Zwischenseminar in
Argentinien, den Kurztrip mit 4 weiteren Freiwilligen nach Punta del Este und
den Start des neuen Schuljahres im hiesigen Sommer an.
ZELTLAGER
ZWISCHENSEMINAR
IN BARADERO – 27. JANUAR BIS 02. FEBRUAR
Das Zwischenseminar bestritt ich mit
weiteren 40 Freiwilligen aus Argentinien, Uruguay und Paraguay Ende Januar in
Baradero, einer Kleinstatt unweit von Buenos Aires. Es tat mir in vielerlei
Hinsicht sehr gut. Nicht nur, dass ich mich mit anderen Freiwilligen
austauschen konnte (und das auf der Muttersprache, wie angenehm!) und die Zeit mit
viel Spaß verbrachte, es fand bei mir auch ein Umdenken, beziehungsweise
Rückbesinnen auf ursprüngliche Ziele statt, die ich in den vergangenen Monaten
außer Augen verloren habe. Veranlasst wurde dies durch die unterschiedlichen
Programmpunkte, die zum Nachdenken, Reflektieren und Hinterfragen anregten und
somit einerseits ein Resümee über die letzten sechs Monate zogen und
andererseits neue Anregungen für die neue Etappe vermittelten. Auch konnte ich
viel Energie und neue Motivation für die zweite Hälfte meines Aufenthaltes
mitnehmen, weshalb ich das Zwischenseminar als sehr wertvoll für das Jahr
ansehe.
UNTERSCHIEDE
Unter diesem Titel könnte man ein
ganzes Buch unterbringen, schließlich geben mir 6 Monate Uruguay ausreichend
Einblick, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen deutscher und
uruguayischer Kultur festzustellen. Es fängt bereits bei Kleinigkeiten an, wie
zum Beispiel, dass das Frühstück so gar keine Bedeutung im Alltag eines
Uruguayos spielt und dafür das Abendessen zu (sehr) später Stunde umso größer
ausfällt. Auf solche Details will ich mich in diesem Abschnitt aber nicht
fixieren, sie sollen lieber Stoff für kleine Anekdoten sein, die ich auf
deutschem Boden zum Besten geben werde. Vielmehr ermöglichte mir ein Gespräch
mit einer uruguayischen Studentin, die in Leipzig ihr Auslandssemester machte,
einen neuen Blick auf die uruguayische Kultur, da sie mir ihre Sichtweise über
Deutschland mitteilte.
Der größte Unterschied für sie sei
gewesen, dass in Deutschland einfach alles laufe. Es sei alles organisiert, es
würde nichts schief laufen, was bedeutet, dass ein Nachdenken über Alternativen
unnötig sei. Besonders bildhaft sei ihr das in einer Vorlesung aufgefallen, in
welcher der Professor auf einen Alternativvorschlag eines argentinischen
Studenten völlig perplex reagiert habe und erwiderte, dass er noch nie über
eine Alternative nachgedacht habe. Diese Beobachtung der Studentin gliedert
sich recht gut in all das ein, was ich hier erlebe: Mein Bild über
Lateinamerika, das ich hier bestätigt sehe, ist dasjenige der Menschen, die
sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen und in keine Panik verfallen,
wenn denn etwas nicht so laufen sollte. Sie sind es eher gewohnt, ständig mit
Planänderungen und Alternativen konfrontiert zu sein, weshalb sie sich weniger
schnell stressen lassen und die Sachen so annehmen, wie sie ihnen zufallen.
Es lassen sich an dieser Stelle auch
so viele Verbindungen zu anderen Phänomenen ziehen, schließlich bedingt das
Alternativdenken in gewissem Grade die ganze Lebenseinstellung. Zuspätkommen
gehört schon beinahe zum guten Ton und wird auch bei der Arbeit nicht bemängelt.
Lange Warteschlangen an der Kasse, an der Bushaltestelle und an jeglichem
Schalter prägen das Stadtbild, was bewirkt, dass die Leute geduldiger sind.
Daraus resultiert das Bild des Lateinamerikaners, der das Leben genießt, der
sich Zeit nimmt für die kleinen Dinge und seine Prioritäten nicht auf die
Arbeit sondern auf Familie und Leben verlegt.
Auf der einen Seite sind das schöne,
erstrebenswerte Eigenschaften, andererseits vermisse ich hier so häufig die
deutsche Planung. Ein weiteres Beispiel: Über Karneval hatten sowohl Argentinien
als auch Uruguay ein verlängertes Wochenende, was beide Länder nutzten, um zu
reisen und Besuche abzustatten. Mich haben ebenfalls Freiwillige aus Buenos
Aires besucht, als sie dann jedoch zurückfahren wollten, stießen wir erst
einmal auf eine immens lange Warteschlange. Nach drei Stunden Anstehen (an
dieser Stelle sei angemerkt, dass von drei Schaltern gerade einmal einer
besetzt war; in Anbetracht der Menge an reisefreudiger Menschen für mich eine
nicht nachvollziehbare Tatsache) wurde uns dann nur mitgeteilt, dass sämtliche
Fahrten sowohl mit Bus als auch mit Fähre bis zum Abend des nächsten Tages
komplett ausgebucht seien. Verwunderlich ist, dass trotz des Wissens um das
große Reisebedürfnis der Argentinier und Uruguayos die Kapazitäten kein
bisschen aufgestockt wurden und es scheint, dass überhaupt keine Vorausplanung
stattgefunden habe.
Die beschriebenen Beobachtungen
beruhen auf subjektiver Erfahrung und sollen keinesfalls „das“ Bild über
Uruguay liefern. Ich fand jedoch sehr interessant, wie die uruguayische
Studentin Deutschland wahrnahm, weshalb ich mich im vorhergehenden Kapitel der
Thematik gewidmet habe. Möglicherweise liege ich mit meinen Vermutungen auch
völlig falsch und Schlüsse, die gezogen wurden, gehören der Kategorie der „unziehbaren“
Schlüsse an. Darüber darf sich aber jeder Leser seine eigenen Gedanken machen.
ARBEITSALLTAG
Um den Bereich des Womöglichen zu
verlassen, hier einige Informationen, derer ich mir zu hundert Prozent sicher
bin:
Im März öffnete die Obra ihre Türen
für das neue Schuljahr. In Casa Joven formierte sich eine komplett neue Gruppe
von Jugendlichen, zum Club de Niños gesellten sich fünf neue Kinder hinzu und
ein neuer Stundenplan mit neuen Werkstätten wurde erarbeitet. Das Semester hält
somit Herausforderungen für mich bereit: Viele neue Gesichter, eine ganz andere
Gruppendynamik in Casa Joven (während die Hauptaufgabe bei der Gruppe der
ersten Jugendlichen darin bestand, sie zu motivieren und das Konfliktpotenzial
gering zu halten, liegt die Hauptaufgabe mit den neuen Jugendlichen darin, ihre
Energie zu leiten und sie dazu zu bringen, sich mehr zu konzentrieren) und neue
Aufgaben wie zum Beispiel das Leiten eines Englisch- und eines Tanzkurses.
Trotz der vorangeschrittenen Zeit
erlebe ich hier immer noch neue Dinge und entwickle mich weiter. Die wohl
wertvollste Erfahrung, zumindest in Hinblick auf meinen späteren Beruf der
Gymnasiallehrerin, ist der Englischkurs, der mich viel lehrt. Für all diese
Möglichkeiten und Erfahrungen bin ich enorm dankbar! Dieser Dank richtet sich
speziell an Sie, die mir mit der finanziellen Unterstützung das Jahr ermöglicht
haben.
Ein herzliches Dankeschön auch an
meine Entsendeorganisation in Deutschland, an die IERP in Buenos Aires und an
alle, die mich in diesem Jahr begleiten!
Julia Weber
Nuestro Salvador IELU
Av. 8 de Octubre 3324
11.600 Montevideo
URUGUAY
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In diesem Sinne: Herzliche Grüße an
alle und bis bald!
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