Donnerstag, 24. Oktober 2013

12. Hola

Zurzeit sind die Wochenenden bei mir so schön ausgefüllt, dass der Blog ein wenig in Vergessenheit geriet. Im Grunde genommen weiß ich auch gar nicht so recht, wo ich anfangen soll, es ist schließlich schon wieder Einiges passiert. Um es mir und euch leichter zu machen, greife ich demnach auf die altbekannte Darstellungsweise der chronologischen Schilderung zurück, nicht ganz so spannend, aber effektiv:

An einem Wochenende Anfang Oktober, ich kann schon gar nicht mehr sagen, welches Datum es war, war ich mit den Leuten vom Club de Niños in Colonia Waldense, einem kleinen Dörfchen, das auch nur wenigen Einwohnern Herberge bietet und dies auch nur über die Sommermonate, da es im Winter außer einem eisigkalten aber schönen Strand und einem winzigkleinen Supermarkt nichts bietet. Im Sommer hingegen bietet es einen angenehm warmen und schönen Strand, weshalb der Besuch durchaus lohnenswert war. Zumal der Zusammenhalt in der Mannschaft enorm ist und sich alle eher als Freunde und nicht als Arbeitskollegen verstehen. Dementsprechend witzig ging es zu, insbesondere die Abende, die sich bis früh in die Morgenstunden zogen. Besonders erwähnenswert ist auch, dass wir innerhalb von 2 Tagen 3 Mal Asado gegessen haben! Aber so richtig Asado mit Massen an Fleisch, die wir uns als Deutsche einfach nicht vorstellen können.


Das darauffolgende Wochenende war ähnlich schön: Julian und ich erhielten Besuch einer deutschen Freiwilligen, die in Mercedes ihren Dienst leistet. Es war ein sehr schönes Wochenende, das natürlich vom typischen Touriprogramm geprägt war: Die berühmten Sehenswürdigkeiten anschauen, durch die Innenstadt schlendern, gut essen, shoppen, das Nachtleben genießen, Mate trinken, etc. Dabei kamen wir in den Genuss der lateinamerikanischen Sonne! Unglaublich aber wahr: Ich sitze jetzt zwar schon wieder im Winterpulli vor dem PC und traue mich nicht ohne Schal und Jacke aus dem Haus, aber an besagtem Wochenende wollte uns das Klima wohl reich beschenken und ließ die Sonne heiß herunterscheinen. Was mich immer noch fasziniert ist die Stärke der Sonne! Man merkt absolut, dass wir hier näher an der Sonne sind, denn schon eine Stunde in der Sonne hinterlässt farbenfrohe Grüße auf der Haut…

Hier habt ihr mal einen kleinen Einblick in unsere Küche. Sie ist wirklich nicht schön, aber sie bietet viel Platz und mit den richtigen Leuten ist es selbst dort gemütlich :-)

Von links nach rechts: Jennifer, die amerikanische Freiwillige, die mit mir im Projekt ist, Manu, uruguayanischer Student und Hannah, der deutsche Besuch

Hannah und mein deutscher Mitbewohner Julian

Samstags besuchte ich zudem ein weiteres Projekt im Barrio Borro, dem Viertel, in dem ich arbeite. Mir war rein theoretisch zwar immer bekannt, dass dies das ärmste Viertel Montevideos ist, doch fehlte mir immer ein tieferer Einblick in die Strukturen des Barrios – schließlich kannte ich nur den Weg des Busses, der die guten Straßen nutzt und mich direkt vor die Tür der Obra bringt. Mehr als dieses Stückchen des Barrios habe ich auch nie gesehen, da es sich auch einfach nicht anbietet, sich als Fremde alleine auf Erkundungstour zu begeben. An jenem Tag bin ich auf meine Bitte hin allerdings mit einer Sozialarbeiterin durch das Barrio gelaufen und habe das erste Mal Flecken gesehen, die mich ehrlich gesagt sehr erschrocken haben. Heruntergekommene Hütten, Wege, die kaum betretbar sind, da sie von Schlamm und Fäkalien verdreckt sind, Müllberge, die das gesamte Barrio unter sich zu begraben scheinen, Hunde, die nicht aufhören können, sich die Flöhe aus dem Fell zu kratzen und dann die Menschen, die ganz unterschiedlich auf die „Fremde“ reagieren: Skeptisch, argwöhnisch, stumm. Ich habe versucht, mit zwei Frauen zu reden, doch die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, ließ zu wünschen übrig. Aber was will ich auch. Ich bin nun einmal die Fremde, die aus dem reichen Deutschland kommt, der es unermesslich gut geht und die am Ende des Tages in ein stabiles Haus zurückkehrt.

Ich möchte an dieser Stelle aber betonen, dass ich mir keinesfalls ein Urteil über die Menschen zumute und sie erst recht nicht als „böse“ Menschen darstellen möchte. Es war ein flüchtiger kurzer Einblick und wenn ich es mir so überlege: Ich glaube, ich würde genauso argwöhnisch schauen, wenn in meinem Viertel auf einmal jemand rumläuft, der so ganz anders ist als ich und alles akribisch inspiziert.

Was mich dafür sehr erfreut hat, ist das Verhältnis der Menschen zu der Sozialarbeiterin. Sie wurde immer gegrüßt und mit größtem Respekt behandelt. Denn schließlich konnte sie sich in langer Arbeit das Vertrauen verdienen und zeigen, dass ihr die Menschen wirklich am Herzen liegen und sie helfen will. Die Kinder sind freudestrahlend auf sie zugerannt, die Hausfrauen wollten das Bisschen an Essen, was sie haben, mit ihr teilen, die Männer nickten anerkennend.

Traurig ist an dieser ganzen Geschichte, dass so gut wie niemals jemand dieses Bild der Menschen des Barrios zu Gesicht bekommt. Vielmehr dominieren die stereotypen Bilder der bösen, kriminellen Schatten die Köpfe derjenigen, die nicht im Barrio wohnen und determinieren daher auch das gesamte Verhältnis der Gesellschaft zum Barrio. Die Montevideaner wissen wenig über das Barrio, haben mit keinem einzigen Bewohner jemals geredet, haben das Barrio nie betreten und haben Angst, es überhaupt zu besichtigen aber muten sich ein Urteil über das Leben, die Menschen, das Barrio zu. Mir wurde zudem erzählt, dass die Perspektiven, eine Arbeit außerhalb des Barrios zu finden, erheblich schwinden, sobald man anführt, man käme aus dem Barrio, was meistens dazu führt, dass die Menschen ihre Identität zu verbergen versuchen.

Es ist so unglaublich traurig, dass trotz der räumlichen Nähe so viel Unwissen und Distanz herrscht und den Menschen, in meinen Augen, einfach nur Unrecht getan wird, indem so über sie gedacht wird. Die Kinder und Jugendlichen, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, sind nämlich so wahnsinnig toll und voller Lebensfreude und einfach nur ganz normale Kinder, die spielen, leben, lachen und lernen wollen.


Ich versuche, in nächster Zeit ein wenig über die Perspektiven der Kinder und Jugendlichen zu erfahren. Schließlich ist es ja auch ein Ziel des Projektes, ihnen Zukunftsperspektiven zu vermitteln und nicht nur Freizeitbeschäftigung zu sein. Denn im Moment muss ich gestehen, dass ich noch keine gute Antwort auf diese Frage gefunden habe.

PS: Ach, ich weiß ja, dass ich vor geraumer Zeit versprochen habe, Bilder von Montevideo hochzuladen und dass ich dies noch lauthals als number-one auf meiner to-do-liste angekündigt habe. Die Bilder habe ich schon längst gemacht, nur ist leider die SD-Karte seit Wochen im Umlauf und hat ihren Weg zu mir noch nicht zurück gefunden. Sobald dies geschehen ist, kommen aber mal wirklich FotosJ




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